Das an den europäischen Universitäten seit dem Mittelalter gelehrte Recht speiste sich aus zwei Quellen (ius utrumque): dem wieder neu in den Blickpunkt gerückten (antiken) römischen Recht, das nun wissenschaftlich bearbeitet, nämlich glossiert und kommentiert wurde, und dem neuen kanonischen Recht, das ab dem 13. Jahrhundert von den Päpsten als ius novum gesetzt wurde und seinerseits auch glossiert und kommentiert wurde.
Für Jura-Professoren wie für Professionsjuristen wurde das gelehrte Recht so zur selbstverständlichen juristischen DNA. Nicht zuletzt aufgrund seiner lateinischen Fachsprache wurde somit eine europaweite Kommunikation über juristische Sachverhalte möglich. Professoren, Studenten und die von den Universitäten abgehenden Rechtspraktiker waren ebenso mobil wie ihre Handschriften, die sich heute in den großen Forschungsbibliotheken in München, Paris und Rom, aber auch in Dom- und Universitätsbibliotheken in ganz Europa finden. Durch den Buchdruck wurden die juristischen Klassikertexte nachgedruckt, neue Texte traten hinzu, so dass das ius commune tatsächlich ein allgemeines, weil allgemein bekanntes Recht bis Anfang des 17. Jahrhunderts blieb.
Mit dem Aufkommen von neuer Gesetzgebung in Städten, Fürstentümern und Königreichen wurde das gemeine Recht zunehmend zu einer reinen Buchwissenschaft, blieb aber ein Referenzsystem in der Jurisprudenz bis zum Zeitalter der Kodifikationen.
Die "Forschungsstelle für ius commune in Theorie und Praxis" hält als Forschungsinfrastruktur eine große Zahl der wichtigsten juristischen Handschriften als Digitalisate (siehe Liste (PDF, 1.524 KB)) bereit und kann auch die Drucke des kanonischen wie auch des römischen Rechts im Bestand des Leopold-Wenger-Instituts München benutzen. Die Forschungsstelle hält zahlreiche Rechercheinstrumente zum Auffinden von mittelalterlichen juristischen Handschriften in Form von Datenbanken und Katalogen bereit und fördert dadurch Editions- und Forschungsvorhaben auf dem Gebiet des ius commune. Sie führt die Arbeit des Stephan-Kuttner Institutes of Medieval Canon Law fort, das sich von 1991 bis 2013 unter der Leitung von Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Peter Landau in München befand. Einzelheiten zu den heute in München vorhandenen und der wissenschaftlichen Öffentlichkeit zugänglichen Materialien sowie zu nützlichen weiteren Seiten finden sich auf den nachfolgenden, spezielleren Seiten.
Nicht zuletzt soll die Forschungsstelle einen Ort des Austauschs über laufende Forschungsvorhaben in Form von Vorträgen und analogen wie digitalen Informationen bieten. Sie kooperiert eng mit dem Institute of Medieval Canon Law, derzeit unter Leitung von Prof. Dr. Anders Winroth.
Für Rechercheanfragen und bei Interesse an Forschungsaufenthalten wenden Sie sich bitte an Prof. Dr. Susanne Lepsius, M.A. (University of Chicago).
Leitung
Universitätsprofessorin
Bestände
- Liste der in München als Digitalisat bzw. als Mikrofilme verfügbaren Handschriften(Volltexte können nur auf Anfrage, meist vor Ort in München, eingesehen werden)
- Liste der in München als Fotostate vorhandenen Handschriften (Schwerpunkt Kanonisitk)
- Digitalisierte Handschriften des ius commune in Mailand
- Digitalisate der (fast durchgängig) juristischen Handschriften des Collegio di Spagna, Bologna
- Handschriftendigitalisate sind über die Bayerische Staatsbibliothek verfügbar, allerdings ohne thematische Eingrenzung auf juristische Handschriften
- Handschriftendigitalisate der Bestände der Biblioteca Apostolica Vaticana, allerdings ohne thematische Einschränkung auf juristische Handschriften
- Mikrofilme des Max-Planck-Instituts für Rechtstheorie und Rechtsgeschichte, Sammelschwerpunkt: Legistik, Baldus de Ubaldis und Spätmittelalter (Suchanfrage über folgenden OPAC-Link, Bibliothek eintragen plus „Handschrift in Sekundärform (Mikrofilm)“, Mikrofilme können nur vor Ort in Frankfurt eingesehen werden)
- Drucke zum gelehrten Recht (PDF, 1.524 KB) in den Beständen des LWI, Abt. B
- Hilfsmittel zum Auffinden einschlägiger legistischer und kanonistischer Handschriften
- Vatican-Projekt, Kollaboration mit Prof. Dr. Dolezalek
- Manuscripta juridica
- Dolezalek, Leipzig
- Walter Holtzmann-Kartei: Initien der Papstdekretalen mit Verweisen auf die jeweilige handschriftliche Überlieferung und vorhandene Editionen und Sammlungen (ursprünglich zs. gestellt von Dr. Jörg Müller, Prof. Dr. Dr. h.c. mult. P. Landau †)
- Fowler-Magerl-Kartei, mit Querverweis auf Summerlin/Rolker/Radl, Clavis canonum
- Fransen-Kartei
- Hilfsmittel zum Auflösen von Verweisen auf römisches und kanonisches Recht (Allegationen)
- Kuttner-Karteikarten zu folgenden Sonderthemen:
- Initien
- Handschriften und Beschreibungen
- Maassen-Kartei
- Briefwechsel Stefan Kuttner
- Nachlass Linda Fowler-Magerl
- Nachlass Gérard Fransen
- Nachlass Antonio García y García
- Sicard von Cremona
- Laborans
- Lanfrancus
- Apparatus Vetus zu den Konstitutionen von Melfi (1231)
- Stefan Kuttner Forschungsbibliothek, heute Yale University
- Peter Landau, eigene Veröffentlichungen und Sonderdrucksammlung
- Spezialliteratur (PDF, 530 KB) zur Kanonistik und Legistik