
Aufnahme von Studenten in die deutsche Nation
Universität Bologna (Bildquelle: wikicommons)
Das an den europäischen Universitäten seit dem Mittelalter gelehrte Recht speiste sich aus zwei Quellen (ius utrumque): dem wieder neu in den Blickpunkt gerückten (antiken) römischen Recht, das nun wissenschaftlich bearbeitet, nämlich glossiert und kommentiert wurde (Legistik), und dem neuen kanonischen Recht, das ab dem 13. Jahrhundert von den Päpsten als ius novum gesetzt wurde und seinerseits auch glossiert und kommentiert wurde (Kanonistik).
Für Jura-Professoren wie für Professionsjuristen wurde das gelehrte Recht so zur selbstverständlichen juristischen DNA. Nicht zuletzt aufgrund seiner lateinischen Fachsprache wurde somit eine europaweite Kommunikation über juristische Sachverhalte möglich. Professoren, Studenten und die von den Universitäten abgehenden Rechtspraktiker waren ebenso mobil wie ihre Handschriften und wissenschaftlichen Texte, die sich heute in den großen Forschungsbibliotheken unter anderem in München, Paris und Rom, aber auch in Dom- und Universitätsbibliotheken in ganz Europa finden. Durch den Buchdruck wurden die juristischen Klassikertexte nachgedruckt, neue Texte traten hinzu, so dass das ius commune tatsächlich ein allgemeines, weil allgemein bekanntes Recht bis Anfang des 17. Jahrhunderts blieb.
Mit dem Aufkommen von neuer Gesetzgebung in Städten, Fürstentümern und Königreichen wurde das gelehrte Recht zunehmend zu einer reinen Buchwissenschaft, blieb aber ein Referenzsystem in der Jurisprudenz bis zum Zeitalter der Kodifikationen. Als gemeines Recht blieb das ius commune eine subsidiär geltende Rechtsquelle bis ins 18. Jahrhundert.
Die "Forschungsstelle für ius commune in Theorie und Praxis", die von Prof. Dr. Susanne Lepsius geleitet wird, hält als Forschungsinfrastruktur eine große Zahl der wichtigsten juristischen Handschriften als Digitalisate (siehe Liste (PDF, 1.524 KB)) bereit. Außerdem können Gelehrtennachlässe und Materialsammlungen zur Erschließung vorgratianischer canones-Sammlungen und der ältesten Handschriften seit dem 11. Jahrhundert benutzt werden. Die Forschungsstelle hält zahlreiche Rechercheinstrumente zum Auffinden von mittelalterlichen juristischen Handschriften in Form von Datenbanken und Katalogen bereit. Die Forschungsstelle leistet durch eigene Forschung, Editionsvorhaben und Kooperationen einen zentralen Beitrag zur Bewahrung und Erschließung der mittelalterlichen handschriftlichen Zeugnisse aus den Anfängen europäischer Rechtswissenschaft, sowie zur Wissenschaftsgeschichte der Kanonistik.
Sie führt die Arbeit des Stephan-Kuttner Institutes of Medieval Canon Law fort, das Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Peter Landau von Berkeley nach München verlegte, wo er dieses von 1991 bis 2013 als Präsident leitete. Seitdem befindet sich das Institut in Yale. Einzelheiten zu den heute in München vorhandenen und der wissenschaftlichen Öffentlichkeit zugänglichen Materialien sowie zu nützlichen weiteren Seiten finden sich auf den nachfolgenden, spezielleren Seiten.
Über den Lehrstuhl Prof. Lepsius sind weitere Sonderbestände zugänglich, welche die unten beschriebenen Materialien ergänzen. Besucher können zudem die Drucke des kanonischen wie auch des römischen Rechts im Bestand des Leopold-Wenger-Instituts München benutzen.
Suchstrategie: Unter Eingabe von "Fol" im Feld "Signatur" im UB-OPAC nach Autor/Werk suchen.
Nicht zuletzt soll die Forschungsstelle einen Ort des Austauschs über laufende Forschungsvorhaben in Form von Vorträgen und analogen wie digitalen Informationen bieten. Sie kooperiert eng mit dem Institute of Medieval Canon Law, derzeit unter Leitung von Prof. Dr. Anders Winroth, Universität Oslo.
Der Internetauftritt der Forschungsstelle ist gerade noch im Aufbau und wird nach und nach um weitere Materialien und Informationen ergänzt.
Für Hinweise, Rechercheanfragen und bei Interesse an Forschungsaufenthalten wenden Sie sich bitte an
Prof. Dr. Susanne Lepsius, M.A. (University of Chicago).
Leitung
Universitätsprofessorin
Bestände
- Liste (PDF, 1.524 KB) der in München als Digitalisat bzw. als Mikrofilme verfügbaren Handschriften (Volltexte können nur auf Anfrage, meist vor Ort in München, eingesehen werden)
- Liste der in München als Fotostate vorhandenen Handschriften (Schwerpunkt Kanonistik)
- Im Foliantenraum des LWI, Abt. B, sind die zentralen Werke des gelehrten Rechts als Drucke verfügbar.
- Handschriftendigitalisate sind über die Bayerische Staatsbibliothek verfügbar, allerdings ohne thematische Eingrenzung auf juristische Handschriften.
Suchstrategie: Suchanfrage (ggf. auf Metadaten beschränken) über folgenden OPAC-Link (z.B. "Hostiensis"), im nächsten Bildschirm mit Ergebnissen als Filter bei Medienart Handschrift mit "+" auswählen, dann werden nur digitalisierte Handschriften angezeigt. - Mikrofilme von mittelalterlichen juristischen Handschriften am Max-Planck-Institut für Rechtstheorie und Rechtsgeschichte, Sammelschwerpunkt: Legistik (Römisches Recht im Mittelalter), Baldus de Ubaldis und Spätmittelalter.
Suchstrategie: Suchanfrage über folgenden OPAC-Link, Bibliothek eintragen plus „Handschrift in Sekundärform (Mikrofilm)“, Mikrofilme können nur vor Ort in Frankfurt eingesehen werden. - Digitalisierte Handschriften des ius commune in Mailand (Biblioteca europea di informazione e cultura) sind hier zugänglich.
- Digitalisate der (fast durchgängig) juristischen Handschriften des Collegio di Spagna, Bologna (Schwerpunkt: Legistik), sind hier zugänglich.
Cave: die verwiesene Webseite ist im http-Format und gilt daher als weniger sicher als eine https-Seite. - Handschriftendigitalisate der Bestände der Biblioteca Apostolica Vaticana, allerdings ohne thematische Einschränkung auf juristische Handschriften, sind hier zugänglich.
- Über den Lehrstuhl der Leiterin der Forschungsstelle Prof. Lepsius sind noch Sonderbestände zugänglich, zu denen Inkunabeln (als Mikrofiches), Editionen der italienischen Statuten der mittelalterlichen Stadtstaaten sowie Drucke des gelehrten Rechts (in Retrokopie) gehören.
- Kuttner-Karteikarten (einsehbar vor Ort und separate Aufstellung folgt) zu folgenden Sonderthemen:
- Initien des Decretum Gratiani, der Papstdekretalen und der Konzilien
- Handschriften und Beschreibungen
- Maassen-Kartei
- Fransen-Kartei (einsehbar vor Ort)
- Walter Holtzmann-Kartei (PDF, 934 KB) (einsehbar vor Ort): Initien der Papstdekretalen mit Verweisen auf die jeweilige handschriftliche Überlieferung und vorhandene Editionen und Sammlungen (ursprünglich zs. gestellt von Dr. Jörg Müller, Prof. Dr. Dr. h.c. mult. P. Landau †).
Cave: Momentan führen die Links im Übersichtsdokument auf die jeweilige Karteikarte ins Leere. Daran wird gearbeitet. Die Links sollen ab Ende 07/2025 funktionieren. - Fowler-Magerl-Kartei (einsehbar vor Ort), inzwischen überarbeitet und als Datenbank abfragbar: Summerlin/Rolker/Radl, Clavis canonum
- Hilfsmittel zum Auffinden einschlägiger legistischer und kanonistischer Handschriften (hierzu wird auch auf die Bestände in München oben unter I. verwiesen)
- Vatican-Projekt, Kollaboration mit Prof. Dr. Dolezalek: Damit soll der große Bestand alle juristischen Handschriften der Legistik und Kanonistik in der vatikanischen Bibliothek erschlossen werden. Hierzu werden noch Dokumente im pdf-Format eingestellt werden; eine Datenbankabfrage wird mittelfristig ermöglicht.
- In Datenbankform recherchierbar sind die Autoren und Texte des ius commune bis 1500 in den europäischen und außereuropäischen Bibliotheken über Manuscripta juridica (MPI für Rechtsgeschichte und Rechtstheorie; Nachträge und Ergänzungen durch Dolezalek, Leipzig; Stand: 2017)
- Hilfsmittel zum Auflösen von Verweisen auf römisches und kanonisches Recht (Allegationen)
- Indices Corporis Iuris Civilis, hg. v. X. Ochoa, A. Diez, 1965 (PDF, 23.885 KB) [nach dem Herunterladen als Volltext durchsuchbar]
- Indices Paragraphorum Corporis Iuris Civilis, hg. v. U. Nicolini, F. Sinatti d'Amico, 1970 (PDF, 22.785 KB) [nach dem Herunterladen als Volltext durchsuchbar]
- Indices Corporis Iuris Canonici, hg. v. X. Ochoa, A. Diez, 1967 (PDF, 14.181 KB) [nach dem Herunterladen als Volltext durchsuchbar]
- Indices Corporis Iuris Civilis, hg. v. X. Ochoa, A. Diez, 1965 (PDF, 23.885 KB) [nach dem Herunterladen als Volltext durchsuchbar]
- Stephan Kuttner (1907-1996) war Begründer der wissenschaftlicher Kanonistik, publizierte intensiv auf diesem Gebiet und musste über Rom, wo er in der vatikanischen Bibliothek arbeitete und angestellt war, in die Vereinigten Staaten emigrieren. Er lehre an der Yale University und gründete in Berkeley das "Institute of Medieval Canon Law". Bis zu seinem Tod führte einen umfangreichen Briefwechsel mit zahlreichen Gelehrten.
Die Liste der Korrespondenzpartner kann man hier (PDF, 2.253 KB) einsehen. Pro Korrespondenzpartner liegen die Eingänge im Original und die Ausgänge in Kopie vor. Die Briefe selbst werden im Archiv der Universitätsbibliothek der LMU München aufbewahrt. Anfragen zur Einsicht richten Sie bitte direkt an das Archiv.
In den Räumen der Forschungsstelle sind Studien, Exzerpte und weitere Materialien von Kuttner einsehbar.
Die Handbibliothek von Kuttner, die Sonderdrucke an Kuttner sowie die Originalmikrofilme sind über die Lillian Goldman Law Library (Yale Law School) zugänglich. Die Bestände der Handbibliothek können im dortigen OPAC durchsucht werden, indem "Kuttner Collection" als "keyword" eingetragen wird. In der erweiterten Suche können damit noch andere Merkmale, z.B. ein Autorname, verknüpft werden, um die Suchergebnisse zu verkleinern. Vertiefende Hinweise zu den Ressourcen an der Yale Law School finden sich hier. - Nachlass Linda Fowler-Magerl: Studien zu Aufsatzprojekten und weitere Materialien sind an der Forschungsstelle zugänglich;.
- Nachlass Gérard Fransen: Fotostate und Karteikarten sind an der Forschungsstelle zugänglich.
- Nachlass Antonio García y García: Fotostate und weitere Materialien sind an der Forschungsstelle zugänglich.
- Sicard von Cremona
- Laborans
- Lanfrancus
- Apparatus Vetus zu den Konstitutionen von Melfi (1231): Nach vielen Studien über Inhalt, Eigenschaften und die Funktion der Konstitutionen von Melfi selbst, wurden im Rahmen eines von der DFG geförderten Projekts die Glossen der “neapolitanischen Juristen” zu diesem Gesetzbuch untersucht. Das Projekt leistet damit auch einen quellenkritisch fundierten Beitrag zu der aktuell in der Geschichts- und Rechtswissenschaft geführten Debatte um die Funktionen von Glosse und Kommentar als Gattungen rechtswissenschaftlicher Literatur, indem es den Blick auf die Anfänge dieser speziellen Glossierungstätigkeit lenkt. Eine digitale Edition des Glossenapparats unter Mitarbeit von PD Dr. Michele Spadaccini ist in Vorbereitung.
An der Juristischen Fakultät der LMU München ist die Bibliothek des Leopold-Wenger-Instituts für Rechtsgeschichte, Abt. B: für Deutsche und Bayerische Rechtsgeschichte, angesiedelt, die neben anderem einen umfangreichen Bestand an Quellen und Forschungsliteratur bereithält.
- Peter Landau, der 1991 bis 2013 Präsident des "Institut of Medieval Canon Law" war, initiierte zahlreiche Editionsprojekte zum kanonischen Recht und publizierte selbst umfangreich. Vorhanden sind eigene Veröffentlichungen (PDF, 604 KB) und Sammlung der an Peter Landau schenkungsweise übergebenen Sonderdrucke (durch Karteikarten in der Forschungsstelle erschlossen).
- Frühneuzeitliche Inkunabeldrucke der zentralen Texte des ius commune sind in Mikroficheform (PDF, 530 KB) über den Lehrstuhl Lepsius zugänglich.
- Stefan Kuttner Forschungsbibliothek, heute Yale University