Forschungsprojekte

Eine der zentralen Aufgaben des IDRIS liegt in der Förderung und Vertiefung der interdisziplinären Forschung im Bereich der nationalen und internationalen rechtlichen Grundlagen für die Verfolgung von Straftaten und die kriminalitätsbezogene Gefahrenabwehr. Die Forschungsarbeit des Instituts folgt dabei der Überzeugung, dass man in dem praktischen und kriminalpolitisch bedeutsamen Bereich der sog. "Inneren Sicherheit" Disziplinen wie das Strafrecht, das Polizei- und Ordnungsrecht oder auch das Nachrichtendienstrecht angesichts der revolutionären Entwicklung in der Informationstechnologie und einer Zunahme transnationaler Kriminalitätsstrukturen nicht mehr sinnvoll isoliert voneinander betreiben kann. Das IDRIS verfolgt dieses Ziel insbesondere durch verschiedene Forschungsprojekte und Promotionsvorhaben mit thematischem Bezug zu seinem Forschungsauftrag.

Forschungsprojekt "Wirtschaftsspionage und Konkurrenzausspähung (WISPIKON)"

Am 26. und 27. Juni 2025 fand mit Unterstützung der Daimler und Benz Stiftung der von Prof. Dr. Jan-Hendrik Dietrich (Hochschule des Bundes) und Prof. Dr. Mark A. Zöller (LMU München) organisierte Ladenburger Diskurs zum Thema „Wirtschaftsspionage und Konkurrenzausspähung“ statt. Rund 20 Expertinnen und Experten aus Rechtswissenschaft, Unternehmen und Sicherheitsbehörden widmeten sich dabei der Problematik, inwiefern sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht Defizite beim Schutz von deutschen Unternehmen vor Ausspähungsbemühungen staatlicher wie nichtstaatlicher Akteure aus dem Ausland bestehen und wie solche Vulnerabilitäten im Zusammenhang der Entwicklung einer nationalen Strategie zum Wirtschaftsschutz beseitigt werden können.

Der erste Veranstaltungstag diente vor diesem Hintergrund vor allem der Bestandsaufnahme. In insgesamt zwölf Impulsvorträgen berichteten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer über die zunehmende Bedrohungen und die Herausforderungen, diese zu bewältigen. Insofern kamen die Perspektiven von Unternehmensvertretern, Wirtschaftsverbänden, Nachrichtendiensten, Strafverfolgungs- und Polizeibehörden, Unternehmensberatern zur Sprache. Ihnen gegenübergestellt wurden rechtswissenschaftliche und kriminologische Befunde in Bezug auf Regelungsdefizite im Polizei- und Nachrichtendienstrecht sowie Straf- und Strafprozessrecht. Dabei wurden spezifische Probleme benannt und erste Lösungs- und Verbesserungsvorschläge angedeutet.

Schnell zeigte sich das Bild einer komplexen Bedrohungslage, deren Ursachen zumindest im Wege einer übergreifenden wissenschaftlichen Perspektive nicht ansatzweise erforscht sind. Infolge der Gefahr von Reputations- und Kontrollverlusten auf Seiten der betroffenen Unternehmen ist in nahezu jeder Hinsicht von einem massiven Dunkelfeld auszugehen, so dass sich auch die wirtschaftlichen Schäden kaum verlässlich beziffern lassen. Zahlreiche überlappende Zuständigkeiten auf Behördenseite, das Fehlen klarer Ansprechpartner im Krisenfall, eine defizitäre Definition von einheitlichen Sicherheitsstandards sowie rechtliche Rahmenbedingungen, die nicht speziell auf den Bereich von Wirtschaftsspionage und Konkurrenzausspähung abgestimmt sind, lassen kriminellen Akteuren aus dem In- und Ausland zu viel Spielraum. Entsprechendes gilt infolge des Fehlens eines Gemeinsamen Kompetenzzentrums unter Beteiligung aller Stakeholder, das mit klaren und schlagkräftigen Befugnissen ausgestattet ist. Die Abwesenheit eines einheitlichen Gesamtkonzepts für den Wirtschaftsschutz in Deutschland führt somit mangels klarer Koordination und Kooperation zu erheblichen Sicherheitsdefiziten. Oft ist die Wirtschaft trotz der durchaus existierenden, einschlägigen Gesprächsformate mit den Sicherheitsbehörden und einer grundsätzlich bestehenden Kooperationsbereitschaft bislang auf sich alleingestellt.

Um diese Defizite zu beheben, stand der zweite Veranstaltungstag nach einem kurzen Überblick über die ebenfalls defizitäre empirische Studienlage im Zeichen der Entwicklung von konkreten Lösungsvorschlägen. Eingeteilt in drei verschiedene Gruppen wurden nach intensiver Diskussion von den Vertretern der Wirtschaft, der Behörden und der Wissenschaft konkrete Verbesserungsvorschläge entwickelt und anschließend im Plenum für alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer präsentiert.

Aus diesen Ergebnissen wiederum haben die Tagungsleiter mit Unterstützung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer einen Katalog mit insgesamt 32 „Ladenburger Thesen zum Wirtschaftsschutz“ zusammengefasst. Mit diesem Thesenpapier wird eine erste Forschungsagenda beschrieben, die weder Widersprüche ausschließen noch endgültige Antworten vorwegnehmen will. Vielmehr bezeichnen sie in erster Linie dringende Forschungsdesiderata, deren weitere wissenschaftliche Behandlung noch aussteht.

Die „Ladenburger Thesen zum Wirtschaftsschutz“ können Sie hier (PDF, 184 KB) als pdf herunterladen.

Vergangenes Forschungsprojekt: "Sicherheits-gesetzgebung und Überwachungsgesamtrechnung"

Projektpartner
  • Institut für Digitalisierung und das Recht der Inneren Sicherheit (IDRIS) der Ludwig-Maximilians-Universität München
  • Ausschuss Gefahrenabwehrrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV)
  • Arbeitskreis Strafprozessrecht und Polizeirecht (ASP)
LaufzeitJuni 2021 bis Juni 2024
Projektverantwortliche
  • Prof. Dr. Mark A. Zöller (LMU München)
  • Prof. Dr. Robert Esser (Universität Passau)
  • RAin Lea Voigt (DAV)
  • RAin Katharina Schmidt (DAV)

Das zweijährige Forschungsprojektes "Sicherheitsgesetzgebung und Überwachungsgesamtrechnung" wurde von dem Institut für Digitalisierung und das Recht der Inneren Sicherheit (IDRIS) der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU München), dem Ausschuss Gefahrenabwehrrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) und vom Arbeitskreis Strafprozessrecht und Polizeirecht (ASP) unter Beteiligung der an der Universität Passau angesiedelten Forschungsstelle Human Right in Criminal Proceedings (HRCP) durchgeführt.

I. Ausgangslage

In den Sicherheitsgesetzen von Bund und Ländern wird seit Jahrzehnten „aufgerüstet“, d.h. der Fundus an bereichsspezifischen Ermächtigungsgrundlagen für Grundrechtseingriffe von Polizei, Staatsanwaltschaft und Nachrichtendiensten ausgeweitet. Motor für diese Gesamtentwicklung ist dabei insbesondere der Fortschritt im Bereich von Digitalisierung und Informationstechnologie. Dieser führt gerade zwangsläufig zu einem massiven Druck auf die Entscheidungsträger aus Rechts- und Innenpolitik, den Sicherheitsbehörden auch einen ausreichenden Rahmen für den Einsatz neuer Ermittlungs- und Überwachungstechnologien zur Verfügung zu stellen.

Mit der exponentiellen Entwicklung im Bereich der Informationstechnologie hat sich somit auch für den Bund und die Länder die Schlagzahl für die Reformgesetzgebung im Bereich von Straf- und Strafprozessrecht, Polizeirecht und Nachrichtendienstrecht massiv erhöht. Dabei ist ein erheblicher Qualitätsverlust bei der Gesetzgebungspraxis zu beobachten. Viele Gesetzesvorhaben verlieren sich in einem Geflecht aus Gesetzgebungskompetenzen, Bestimmtheits- und Verhältnismäßigkeitsanforderungen. Rechtsstaatliche Korrekturen durch das Bundesverfassungsgericht, die Verfassungsgerichtshöfe der Länder oder gar auf europäischer Ebene durch den Gerichtshof der Europäische Union (EuGH) und den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) können häufig erst Jahre später und dann meist auch nur marginal erfolgen.

Besonders besorgniserregend erscheint die Tatsache, dass Überlegungen zur Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit neuer Eingriffsbefugnisse meist nur isoliert auf sich selbst bezogen sind. Der Frage, wie sich etwa neue Überwachungsbefugnisse in die bereits bestehende Landschaft an Eingriffsmaßnahmen auf Bundes- und Landesebene in zahlreichen Spezialgesetzen einfügen, wird regelmäßig auf politischer Bühne keinerlei Bedeutung geschenkt. Das überrascht schon deshalb, weil das BVerfG bereits in seinem Urteil zur Vorratsdatenspeicherung aus dem Jahr 2010, also bereits vor mehr als zehn Jahren, vor einer unkontrollierten Kumulation verschiedenster Überwachungsmaßnahmen gewarnt hat. Dort heißt es (BVerfGE 125, 260, 323):

„Umgekehrt darf die Speicherung der Telekommunikationsverkehrsdaten nicht als Schritt hin zu einer Gesetzgebung verstanden werden, die auf eine möglichst flächendeckende vorsorgliche Speicherung aller für die Strafverfolgung oder Gefahrenprävention nützlichen Daten zielte. Eine solche Gesetzgebung wäre, unabhängig von der Gestaltung der Verwendungsregelungen, von vornherein mit der Verfassung unvereinbar. Die verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit einer vorsorglich anlasslosen Speicherung der Telekommunikationsverkehrsdaten setzt vielmehr voraus, dass diese eine Ausnahme bleibt. Sie darf auch nicht im Zusammenspiel mit anderen vorhandenen Dateien zur Rekonstruierbarkeit praktisch aller Aktivitäten der Bürger führen. […] Die Einführung der Telekommunikationsverkehrsdatenspeicherung kann damit nicht als Vorbild für die Schaffung weiterer vorsorglich anlassloser Datensammlungen dienen, sondern zwingt den Gesetzgeber bei der Erwägung neuer Speicherungspflichten oder -berechtigungen in Blick auf die Gesamtheit der verschiedenen schon vorhandenen Datensammlungen zu größerer Zurückhaltung. Dass die Freiheitswahrnehmung der Bürger nicht total erfasst und registriert werden darf, gehört zur verfassungsrechtlichen Identität der Bundesrepublik Deutschland, für deren Wahrung sich die Bundesrepublik in europäischen und internationalen Zusammenhängen einsetzen muss.“

Dieses Diktum wird heute in Anschluss an Roßnagel (NJW 2010, 1238) mit dem Begriff der „Überwachungsgesamtrechnung“ bezeichnet.

Auch in seinem Urteil zum Bundeskriminalamtgesetz (BKAG) aus dem Jahr 2016 hält das BVerfG eine Totalüberwachung der Bürger für unzulässig (BVerfGE 141, 220, 280 f.):

„Mit der Menschenwürde unvereinbar ist es, wenn eine Überwachung sich über einen längeren Zeitraum erstreckt und derart umfassend ist, dass nahezu lückenlos alle Bewegungen und Lebensäußerungen des Betroffenen registriert werden und zur Grundlage für ein Persönlichkeitsprofil werden können. Beim Einsatz moderner, insbesondere dem Betroffenen verborgener Ermittlungsmethoden, müssen die Sicherheitsbehörden mit Rücksicht auf das dem ‚additiven‘ Grundrechtseingriff innewohnende Gefährdungspotenzial koordinierend darauf Bedacht nehmen, dass das Ausmaß der Überwachung insgesamt beschränkt bleibt.“

Dies hat zur Folge, dass der Gesetzgeber die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einzelner Überwachungsmaßnahmen nicht isoliert betrachten darf. Vielmehr muss er bei der Einführung neuer oder der Erweiterung bestehender Befugnisse das Wechselspiel und die Überschneidungen mit den bereits bestehenden Überwachungsbefugnissen im gesamten Recht der Inneren Sicherheit beachten. Er hat somit bei jedem einschlägigen Reformvorhaben normativ zu entscheiden, ob auch mit der beabsichtigten Neuregelung das Ausmaß der Gesamtüberwachung der Bürgerinnen und Bürger noch rechtspolitisch hinnehmbar und verfassungsrechtlich vertretbar ist. Insofern bedarf es dringend einer gesamtgesellschaftlichen Debatte darüber, wo die absoluten Grenzen für den informationellen Zugriff des Staates auf die Bürger verlaufen.

II. Ergebnisse

In insgesamt acht Arbeitssitzungen einschließlich einer abschließenden Redaktionssitzung in München und Berlin sind dabei Leitlinien guter Gesetzgebung im Recht der Inneren Sicherheit ("Best Practice Guidelines") entstanden, an denen sich die an einem Gesetzgebungsverfahren Beteiligten orientieren können. Diese "Best Practices" wurden in dem gleichnamigen Band neben weiteren Beiträgen zu der Idee einer "Überwachungsgesamtrechnung" und zu Fragen zur Einrichtung einer "Freiheitskommission" veröffentlicht.

III. Kontakt

Bei Fragen zum Projekt wenden Sie sich gerne an Herrn Prof. Dr. Mark A. Zöller mark.zoeller@jura.uni-muenchen.de.